Landeseissportverbände

Fast drei Jahrzehnte war Udo Dönsdorf für die Deutsche Eislauf-Union (DEU) im Amt, mehr als zwei Jahrzehnte davon als Sportdirektor. Zum Jahreswechsel beendete der 68-Jährige seine Tätigkeit für die DEU und kann auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken. Seit 1993 gewannen deutsche Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer 39 Medaillen bei internationalen Meisterschaften und Olympischen Spielen. Im Interview erzählt der gebürtige Essener, was er am Eiskunstlaufen so schätzt und wie er die Olympia-Kür von Aljona Savchenko und Bruno Massot erlebt hat.

Udo Dönsdorf, Sie waren 28 Jahre lang für die Deutsche Eislauf-Union tätig, davon 21 Jahre als Sportdirektor. Seit ein paar Wochen ist dieses Kapitel vorüber. Wie blicken Sie mit etwas Abstand insbesondere auf die letzten Jahre bei der DEU zurück?

Udo Dönsdorf:
Einer meiner Hauptaufgaben war in den vergangenen Jahren die Umsetzung der Leistungssportreform, die vom BMI und dem DOSB angestoßen wurde. Die Implementierung des hauptamtlichen Vorstandes und des ehrenamtlichen Präsidiums mit Aufsichtsfunktion in die DEU-Satzung war ein enormer Fortschritt, der von der DEU-Mitgliederversammlung 2018 beschlossen wurde, wobei die Benennung des hauptamtlichen Vorstands noch aussteht. Wichtig war auch der Abschluss von regionalen Zielvereinbarungen mit den fünf größeren Landesverbänden zur Entwicklung des Nachwuchsleistungssports und die Erweiterung des Leistungssportpersonals. Diese Professionalisierung ist für die weitere Entwicklung des Eiskunstlaufens in Deutschland von großer Bedeutung.

Der schönste Erfolg in Ihrer Amtszeit war sicher der Olympiasieg von Aljona Savchenko und Bruno Massot. Wie haben Sie die emotionale Kür und die spannenden Minuten bis zur Gewissheit des Sieges in der Eishalle in Pyeongchang erlebt?

Udo Dönsdorf:
Wenn ich mich in die damalige Situation zurückversetze, fühlte ich als Mannschaftsleiter eine ganz besondere Anspannung - unmittelbar vor der Kür und bis zum letzten Paar des Wettbewerbs. Selten war die Spannung in einer Eiskunstlauf-Konkurrenz so groß. Das Publikum hatte nach der Kür von Aljona und Bruno mit großem Erstaunen innegehalten, es spürte, dass etwas Besonderes passiert war. Am Ende reichte es zum Sieg und die ganze Spannung löste sich in sehr großer Freude der ganzen deutschen Mannschaft auf. Es war eine Sensation, eine Jahrhundert-Kür, so ähnlich wie von Jayne Torvill und Christopher Dean 1984 in Sarajewo. Niemand hätte gedacht, dass Aljona und Bruno als Viertplatzierte nach dem Kurzprogramm, die als Erste der letzten Gruppe aufs Eis mussten, noch Olympia-Gold gewinnen. Aber sie haben an sich geglaubt. Das ist ein sehr schönes Beispiel für alle Sportler und Trainer: Niemals aufgeben.

Welche internationalen Erfolge deutscher Läufer der vergangenen drei Jahrzehnte würden Sie sonst noch hervorheben?

Udo Dönsdorf:
Bei dieser Frage musste ich erst mal die Statistik bedienen. Während der Zeit, in der ich für die DEU gearbeitet habe, haben deutsche Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer insgesamt 39 Medaillen bei Junioren-Weltmeisterschaften, EM, WM und Olympischen Spielen gewonnen. Die meisten Erfolge gab es in der Paarlauf-Disziplin: Mandy Wötzel und Ingo Steuer gewannen 1997 den WM-Titel, später wurde Aljona Savchenko sechs Mal Weltmeisterin, erst fünfmal mit Robin Szolkowy, dann nach Olympia in Mailand noch einmal mit Bruno Massot. Bemerkenswert war auch die Junioren-WM 2000 in Oberstdorf, bei der Stefan Lindemann, dank der hervorragenden Trainerleistung unserer jetzigen Bundesnachwuchstrainerin Ilona Schinder, als erster deutscher Eiskunstläufer überhaupt den JWM-Titel errang. Das war für mich der Beweis, dass deutsche Eiskunstläufer – zwar nicht regelmäßig – aber doch punktuell bei solchen Ereignissen auch ganz vorne mitmischen können. Herausragend war auch die WM in Dortmund 2004, bei der es durch Stefan Lindemann und das Eistanzpaar Kati Winkler/René Lohse zwei deutsche Medaillen gab. Volles Haus in der Westfalenhalle und dann der spannende Kampf um einen Platz auf dem Podium.

Man kann sagen, Sie haben Ihr Leben lang für den Eiskunstlaufsport gelebt: Erst waren Sie selbst Sportler, dann Trainer, dann DEU-Sportkoordinator und schließlich Sportdirektor. Was verbinden Sie mit der Sportart oder anders gefragt, warum hat es Ihnen gerade das Eiskunstlaufen angetan?

Udo Dönsdorf:
Eiskunstlaufen ist eine der wenigen Sportarten, die sportliche Leistungen mit Musik und künstlerischer Darstellung kombinieren. Das ist einzigartig und hat mich als musisch veranlagten Menschen zu der Sportart geführt. Außerdem hat mich enorm fasziniert, wie man sich so einzigartig mit Schlittschuhen auf dem Eis bewegen konnte. Und in der damaligen Zeit war Eiskunstlaufen dazu noch eine Sportart, die im Fernsehen zur Prime Time gelaufen ist, wodurch ich auf diese Sportart aufmerksam wurde.

Sie waren in den 70er Jahren EM- und WM-Teilnehmer im Eistanzen und mit ihrer Partnerin Christina Henke 1974 auch Weltmeister im Rolltanzen. Wie hat das damals funktioniert, dass Sie beide Sportarten parallel auf so hohem Niveau betrieben haben?

Udo Dönsdorf:
In meiner Heimatstadt Essen gab es nur von November bis März die Möglichkeit, Eiskunstlauf zu betreiben und der Verein hat dafür im Sommer ein Rollschuhtraining angeboten. So bin ich zu diesen beiden Sportarten gekommen und wurde in kurzer Zeit recht erfolgreich. Als wir eine neue Eishalle erhielten, die ganzjährig geöffnet war, wurde es schwierig beide Sportarten miteinander zu verbinden. Das war neben Schule oder Studium eine hohe physische Belastung. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen 1976 haben wir uns ganz aufs Eistanzen konzentriert, es aber dennoch nicht zu den Olympischen Spielen geschafft. Das war sehr bedauerlich, aber man muss im Sport auch Niederlagen hinnehmen.

Nach Ihrer eigenen sportlichen Karriere wurden Sie Trainer und haben unter anderem das Eistanz-Paar Saskia Stähler/Sven Authorsen zu internationalen Meisterschaften begleitet, darunter die WM 1991 in München. Welche Erinnerung haben Sie an diese WM?

Udo Dönsdorf:
Die WM in München stand unter einem schwierigen Stern, es drohte der Golfkrieg. So war – ähnlich wie jetzt in der Corona-Zeit – lange Zeit nicht klar, ob die Meisterschaft stattfinden kann. Aber letztlich konnte sie unter sehr hohen Auflagen durchgeführt werden. Es war eine tolle WM, die perfekt organisiert und in der Olympiahalle vor einem begeisterten Münchener Publikum stattfand. Die Teilnahme als Trainer mit meinem Paar war ein Erfolg. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir allerdings die Leistung von Kanadas Weltmeister Kurt Browning und der Kampf um Gold im Eistanzen. Weltmeister 1991 wurde das französische Geschwisterpaar Isabelle und Paul Duchesnay, das von unserem Eistanz-Bundestrainer Martin Skotnický betreut und trainiert wurde, mit einer innovativen Kür zu südamerikanischer Musik. Schon 1988 hatten sie mit einer Dschungelkür viel Aufsehen erregt.

Wie hat sich der Eistanz/Eiskunstlauf aus Ihrer Sicht in den letzten Jahrzehnten verändert und weiterentwickelt?

Udo Dönsdorf:
Die Weltmeisterschaft 2004 war die letzte WM mit dem alten 6,0-Wertungssystem. Mit dem neuen ISU Judging System hat sich die sportliche Leistung kontinuierlich weiterentwickelt. Die technischen Schwierigkeitsgrade haben enorm zugenommen. Das geht heutzutage so weit, dass einige Eiskunstläufer bereits, außer dem Axel, alle Sprünge vierfach im Wettkampf anbieten. Gleichzeitig wurde der kompositorische Bereich extrem aufgewertet. Das bis dahin relativ einfache Schrittmaterial in den Programmen wurde durch sehr kreative Schrittverbindungen erweitert. Die Programme werden mittlerweile nicht mehr von Trainern entwickelt, sondern von Choreographen, die ganze Kunstwerke schaffen. Dank des neuen Wertungssystems konnte sich das Eiskunstlaufen, trotz zunächst großer Kritiken am Wertungssystem, in allen Disziplinen progressiv entwickeln.

Welche Impulse haben Sie versucht, in Ihrer Zeit als Sportdirektor zu geben?

Udo Dönsdorf:
Ich habe mich in erster Linie dafür eingesetzt, die Trainingsstrukturen an den fünf Bundesstützpunkten zu verbessern und habe alles darangesetzt, dass wir für die fünf Trainingszentren den Status Bundesstützpunkt erhalten konnten. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag darin, dass ein deutlicher Stellenaufwuchs bei den Trainern und beim zusätzlichen Leistungssportpersonal erreicht wurde. Vor gut fünfzehn Jahren hatten wir zwei bis drei finanzierte Stellen, mittlerweile werden über zwanzig Stellen durch das Bundesministerium des Innern und teilweise auch durch die jeweiligen Länder finanziert. Ein großes Anliegen war mir auch immer, die Sportler finanziell von den hohen Kosten zu entlasten. Ich denke, das ist mit großer Unterstützung der Finanzgeber gut gelungen. Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass rund zwölf Eiskunstläufer eine Anstellung bei der Bundeswehr erhalten, dann hat sich doch einiges getan. 

Was ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen DEU-Geschäftsstelle, Landeseissportverbänden, Trainern und Sportlern wichtig? Und was wünschen Sie sich für die Zukunft des deutschen Eiskunstlaufens?

Udo Dönsdorf:
Ich wünsche mir, dass die Vereine besser mit ihren Landeseissportverbänden und die Landeseissportverbände besser und professioneller mit der Deutschen Eislauf-Union zusammenarbeiten. Alle Partner sollten sich mehr auf die ständige Verbesserung der Qualität des Trainings konzentrieren. Dazu gehört auch, dass die Trainer eine qualifiziertere Ausbildung erhalten müssten. Dazu benötigen wir besonders die Unterstützung unserer 180 Vereine in Deutschland, die immer wieder junge Menschen für den Eiskunstlaufsport gewinnen und begeistern und dafür sorgen, dass diese Sportler auch nach ihrer aktiven Zeit mit dem Sport verbunden bleiben. Wir müssen vor allem gemeinsam daran arbeiten und darauf achten, dass wir alle Talente in allen Vereinen erfassen und auch begeisterte Quereinsteiger und Spätentwickler berücksichtigen. Dazu gehört auch, dass wir rechtzeitig Sportler der Paarlauf- und Eistanzdisziplin zuführen. So könnten wir die Potentiale des deutschen Eiskunstlaufens besser ausschöpfen und langfristig international eine bedeutendere Rolle auf der internationalen Bühne spielen. Sollte uns das gelingen, sehe ich die Zukunft für das deutsche Eiskunstlaufen durchaus positiv.
 

Das telefonische Interview führte Pamela Lechner.

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